Die Technik des Skispringens
Der Kampf ums Detail

Eigentlich scheint die Sache ja ganz einfach. Die Springer stürzen sich in die Anlaufspur,

drücken sich vom Schanzentisch ab, segeln durch die Luft und setzen dann mit einem

Klatschen auf dem Aufsprunghang auf. Für den Laien sind die Unterschiede meist erst

am Boden erkennbar. Dann allerdings umso gewaltiger. Der Teufel, das lässt sich

leicht erahnen, liegt im Detail.

Es sind Kleinigkeiten, die im Anlauf und Flug große Wirkung entfalten. Kleinigkeiten,

die für die Springer letztlich über Siegerpodest oder Mittelklasse entscheiden.

Von wegen "einfach!" Doch wo liegen die Kleinigkeiten verborgen? Im Wesentlichen sind

es drei Faktoren, die bei einem Sprung über einen Flug oder Absturz mit entscheiden:

Die Anfahrtsgeschwindigkeit, der Absprung und die Flugfähigkeit.

Alle drei Faktoren bestimmt natürlich der Springer selbst. In der Anlaufspur entscheidet

eine recht windschlüpfrige Hockposition über die größtmögliche Geschwindigkeit.

Beim Absprung sind das richtige Timing und die Sprungkraft ausschlaggebend.

In der Luft gilt es schließlich, die Position zu finden, die den meisten Auftrieb verspricht.

Daran haben die Springer und ihre Trainer über die Jahrzehnte am meisten getüftelt.

In den Anfängen des Skispringens versuchten die Athleten noch, mit rudernden Armen

für mehr Auftrieb zu sorgen. Über die weit nach vorne gereckten Arme kam man

schließlich beim klassischen Parallelstil an, bei dem die Arme dicht an den Körper

gedrückt blieben und sich somit praktisch im Windschatten der Skier befanden.

Der Revoluzzer aus Schweden

Bis der Schwede Jan Bokloev kam und mit weit gegrätschten Skiern der Springerwelt

auf und davon flog. Das hatte für ihn zwar so manchen Rückschlag mit sich gebracht.

Viele Trainingsstürze und Punktabzüge der strengen Punktrichter. Bis er 1988/89

plötzlich anfing, Springen wie das in Innsbruck und letztlich auch den Gesamtweltcup

zu gewinnen. Da merkten es die Konkurrenten auch, dass diese merkwürdig anmutende

Haltung offenbar bessere Flugtauglichkeit mit sich brachte. Bis zu 28 Prozent mehr

Auftrieb generiert der sogenannte V-Stil im Gegensatz zum klassischen Parallelstil.

Bis 1992 hatte die Weltklasse nachgezogen. Wie so oft blieben sportliche Revolutionen nicht

lange ohne Nachahmer. Damit allerdings scheinen die Möglichkeiten in puncto Stil ausgereizt.

Längst testen die Athleten heute in hochmodernen Windkanälen die beste Flughaltung aus.

Das Material

Doch naturgemäß trägt nicht der Mensch alleine zu Erfolg oder Misserfolg eines Sprunges bei.

Was wäre das noch so begnadete Sprungtalent ohne das passende Material? Ob es die Springer

der Fünfzigerjahre waren, die sich zum Teil mit Norwegerpullover und Pudelmütze auf ihren

Holzlatten ins Tal stürzten, wohl geahnt haben, welche Entwicklung ihr Sport nehmen würde?

Anzüge, Skier und sogar Helme sind längst Hightechprodukte. Nicht wirklich verwunderlich,

dass man gerade hier viel austestet, seit man zum Beginn der Siebzigerjahre erkannt hatte,

dass auch durch kleine Veränderungen am Material so mancher Meter zu gewinnen war.

Die Siebziger und Achtzigerjahre waren die Zeit der großen Materialschlachten.

Bleiben also nur die Experimentiermöglichkeiten der Skihersteller in Sachen Innenleben,

das längst aus einem komplexen Geflecht aus Kunststoffen, Hölzern und Klebern besteht.

Doch hier ist Vorsicht geboten. Nicht jeder Springer kommt auch mit dem vermeintlich

fortschrittlichsten Sprungskiern zurecht. Bleibt also nur noch die Frage des Belags,

der bei den Springen nur kurzen, dafür aber umso heftigeren Belastungen ausgesetzt ist.

Die neuen Regeln

Letztlich war es der Weltverband FIS, der die Materialtüftler durch strengere Regeln

einbremste. Die Anzüge werden als körperbetont und luftdurchlässig vorgeschrieben.

Die Einhaltung wird deshalb an acht verschiedenen Messpunkten mit elektronischen

Bodyscannern überprüft. Die Skilänge indes orientiert sich an der Körpergröße. Maximal

145 Prozent der Körpergröße sind erlaubt. Bei jedem Springen werden die Springer

stichprobenartig gewogen. Mit Anzug und Schuhen muss ihr Body-Mass-Index (BMI)

mindestens 20 betragen. Der Body-Mass-Index ist Gewicht durch Größe zum Quadrat.

So soll verhindert werden, dass die extrem leichten Springer Vorteile haben.

Ab der Skisprung-Saison 2009/10 treten eine der größten Änderungen des Reglements

in Kraft. Der Wind ist beim Skispringen schon immer eine Variable, die nur schlecht zu

beherrschen ist. Um die Bedingungen für alle Springer einigermaßen gleich zu halten,

wird der Windfaktor eingeführt. Beim Windfaktor werden die Windbedingungen in die

Kalkulation der Gesamtpunkte mit einbezogen. Das geänderte Reglement kommt in der

Saison jedoch nur zu Testzwecken bei einigen Wettbewerben zum Einsatz. Seit dem

Sommer-Grand-Prix 2010 wird nur noch nach dem neuen Reglement gesprungen.

Das Prinzip ist einfach: Bei Rückenwind gibt es Bonuspunkte, bei Aufwind Punktabzug.

Je nachdem, was der Mittelwert der Messpunkte ergibt. Dazu kommt noch der Gate-Faktor.

Es geht um die Wahl der Luke, also um die Anlauflänge. Die kann jetzt die Jury bei Bedarf

innerhalb des Wettkampfes verändern, ohne dass deswegen der Durchgang neu gestartet

werden muss. Ein Punktesystem, das jedem Schanzenprofil angepasst ist, gleicht fehlende

oder überschüssige Meter aus. Für alle Springer ergeben sich dadurch fairere Bedingungen.

Der Body-Mass-Index der Athleten wird vom Internationalen Skiverband auf 20,5 erhöht.

Ab der Skisprung-Saison 2012/13 treten weitere Änderungen des Reglements in Kraft.

Bei den Anzügen dürfen künftig zwischen Körper und Stoff nur noch zwei Zentimeter

Luft liegen. Bisher waren es sechs Zentimeter. Dies soll laut der FIS für einen geringeren

Windeinfluss und damit auch für mehr Chancengleichheit bei den Skispringern sorgen.

Die elektronischen Windmesspunkte wurden an der Normal- und Großschanze von fünf

auf sieben erhöht. An einer Skiflugschanze gibt es zehn elektronische Windmesspunkte.

Eine Neuerung ist der sogenannte "rote Knopf". Damit haben die Trainer die Möglichkeit,

die Anlauflänge um bis zu maximal fünf Luken nach unten zu verkürzen. Über Funkkontakt

mit der Jury muss dieses kurz vor dem Sprung erfolgen. Auf diese Weise kann der Trainer

bei schwierigen Windbedingungen seinen Athleten schützen. Der Body-Mass-Index der

Springer wird vom Internationalen Skiverband auf 21 erhöht. Ein neuer Wettbewerb ist

das Mixed Teamspringen. Hier treten je zwei Männer und zwei Frauen für ihr Land an.

Im Februar 2013 wurde das Mixed Springen erstmals ins WM-Programm aufgenommen.

Ab der Saison 2017/18 gibt es erstmals keine automatisch vorqualifizierten Springer mehr.

Ab der Saison 2018/19 wird das Körpergewicht der Athleten bei der Materialkontrolle ohne

Schuhe gemessen. Das heißt: Die Skispringer müssen jetzt mehr wiegen, um ihre aktuelle

Skilänge entsprechend der Body-Mass-Index-Regelung der FIS beibehalten zu können.

Ab der Saison 2022/23 führt der Internationale Ski-Verband FIS ein neues Format ein.

Bei dem sogenannten "Super Team" bilden je zwei Athleten einer Nation eine Mannschaft.

Der in drei Durchgängen durchgeführte Duo-Wettkampf soll vor allem den kleineren Nationen,

die aus personellen Gründen kein Vierer-Team stellen können, entgegenkommen.

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