Die Vertreibung aus der Heimat
Am 11. Mai 1946
Transportzettel von Berta Leukert

Die Vertreibung

Nach über fünfeinhalb Jahren war am 8. Mai 1945 endlich der Zweite Weltkrieg zu Ende.

Mit ihm aber auch das ganz normale Leben für die Deutschen in der Stadt Reichenberg.

Von nun an hatten die Tschechen wieder das Sagen, und dies demonstrierten sie auch!

Als Erstes musste jeder Deutsche eine zehn Zentimeter breite weiße Armbinde mit einem

schwarzen Buchstaben "N" (für "NÄ›mec" = "Deutscher") zur besseren Kennzeichnung tragen.

Alle, die noch arbeiteten, hatten eine weiße Armbinde mit einem "P" (für "Pracovník" = "Arbeiter").

Sie wurde mit einem Stempel vom Arbeitsamt versehen und von der Arbeitsstelle ausgehändigt.

Eine allgemeine Sperrzeit für die deutsche Bevölkerung verbot es außerdem, die Straßen zwischen

20:00 Uhr abends und 6:00 Uhr morgens zu benutzen. Ausnahmen gab es nur für wenige Arbeiter.

Diese mussten allerdings einen von ihrer Firma ausgestellten Sonderausweis bei sich führen.

Es folgten weitere Demütigungen: Deutschen war es untersagt die Bürgersteige zu benutzen,

sie mussten auf der Straße gehen. Die Deutschen durften auch keine Eisenbahn mehr fahren.

Deutsche, die die Straßenbahn benutzen wollten, durften dieses nur stehend im Anhänger tun.

Wer sich gegen die Anordnungen widersetzte, musste mit einer empfindlichen Strafe rechnen.

Im Juni 1945 wurden die Lebensmittelkarten eingeführt. Damit wurde geregelt, was jeder Bürger

an Lebensmitteln bekam. Diese waren nach dem Krieg natürlich nur sehr eingeschränkt verfügbar.

Fleisch und Fett waren für die Deutschen gestrichen und erst gar nicht auf den Karten aufgedruckt.

Milchprodukte gab es nur ab und zu einmal. Gut daran war, wer einen eigenen Garten hatte.

Der konnte sich mit dem selbst angebauten Obst und Gemüse einigermaßen über Wasser halten.

Die Tschechen gaben fast jeden Tag neue Bekanntmachungen für die Bevölkerung heraus.

Einige waren in Tschechisch, die meisten aber in deutscher Sprache. Da wurde u. a. gefordert,

dass die Deutschen alle noch in ihrem Besitz befindlichen Uniformen, Waffen und Munition

abzugeben hatten. Eine andere, dass alle Wertsachen, Gemälde sowie Radios abzuliefern seien.

Es dauerte nicht lange, bis die ersten Bekanntmachungen mit dem Text angeschlagen wurden,

dass alle Deutschen das Land zu verlassen hätten. Das war der Anfang der großen Vertreibung.

In den Jahren 1945 und 1946 wurden so bis zu drei Millionen Menschen aus ihrer geliebten Heimat

im Sudetenland vertrieben. So auch Berta Leukert, ihre Kinder, ihre Verwandten und viele Freunde!

Am 11. Mai 1946 musste sich Berta Leukert im Sammellager Habendorf bei Reichenberg einfinden.

Dort bekam sie einen Transportzettel für Evakuanten. Ihr Transport war nach München vorgesehen.

Der Zug, der sie über die bayerische Grenze bringen sollte, bestand zum Großteil aus Viehwaggons.

In jeden Waggon wurden 30 Personen mit ihrem Gepäck hineingepfercht. Er hielt des Öfteren auf der

Fahrt bis zur Grenze. Die Verpflegung mit Nahrungsmitteln und Wasser war allerdings sehr dürftig.

Noch schlechter aber waren die sanitären Bedingungen für die vielen Menschen in den Waggons.

Vier lange Tage dauerte die Fahrt von Berta Leukert, ihrer Tochter Gerda und ihrem Sohn Herbert.

Am 15. Mai überquerte der Zug dann die Grenze. Die erste Station war die Durchschleusungsstelle

Furth im Wald, wo sich alle Flüchtlinge einer ärztlichen Grenzuntersuchung unterziehen mussten.

Eigentlich sollte es ja nach München gehen. Da aber bereits viele Züge dorthin unterwegs waren,

wurde der Zug nach Hessen umdirigiert. In Oberaula angekommen, verteilte man die Flüchtlinge auf

verschiedene Anwesen in den umliegenden Orten. Dort bezogen sie ihre zugewiesenen Quartiere.

Im Ort Wahlshausen fand Berta Leukert mit ihren beiden Kindern erst einmal eine neue Heimat.

Berta Leukert war meine Oma mütterlicherseits. Sie starb am 23. Juli 1979 im Alter von 83 Jahren.

Die Urkunde zur Vormünderin ihrer Kinder

Bild vom Transportzettel

Bilder vom Gesundheitsschein

Bild von der Registrierungskarte

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